Dass Kinder in Deutschland häufig nicht gerade mit offenen Armen empfangen werden, zeigt sich spätestens bei einem Besuch im Restaurant. Während Kinder in anderen Ländern, wie in Italien oder Spanien, noch abends um zehn um die Tische herum rennen, laut lachen und toben können, werden sie in Deutschland vielerorts nur dann geduldet, wenn sie brav in ihrem Hochstuhl sitzen, möglichst still sind und ohne zu murren essen, was auch immer ihnen vorgesetzt wird.
Neulich konnte ich beobachten, wie eine junge Mutter, deren schlafendes Baby in der Tragetasche neben ihr lag, von einem älteren Ehepaar darauf angesprochen wurde, wie lieb ihr Kind doch sei. Ein hervorragendes Beispiel dafür, dass schon wenige Monate alte Babys als ungezogen gelten, wenn sie es wagen, in der Öffentlichkeit zu viel Lärm zu machen, denn wie hätte der Kommentar wohl ausgesehen, wenn das Baby geschrien hätte. Nicht selten gerät man in solchen Situationen auch in Konflikt mit Freunden und Bekannten, die selbst keine Kinder haben. So hat mir eine Freundin erzählt, wie sie sich mit ihrem Sohn zusammen mit Freunden in einem Café verabredet hat, die sie seit über einem Jahr nicht mehr gesehen hatte. Ihr Sohn ist sehr lebhaft, hat sich an der Unterhaltung beteiligt und sich gefreut, wenn einer der Erwachsenen bereit war, ihm eine Geschichte vorzulesen oder mit ihm am Tisch zu spielen. Die Bemerkung der Freunde beim Abschied jedoch lautete schlicht – „das nächste Mal treffen wir uns dann wohl besser ohne Kind“.
Wie anders dagegen ist das, was ich hier in Afrika mit meinen beiden Söhnen erleben durfte!
Mit meinen beiden Söhnen besuchte ich ein unheimlich schönes Restaurant. Als mein jüngerer Sohn, gerade einmal sechs Wochen alt, zu weinen begann, erregten wir sofort die Aufmerksamkeit des Nebentisches. Als eine Frau sogar auf mich zu kam, dachte ich schon: „Oh Gott, jetzt bittet sie mich gleich zu gehen!“ Die Frau jedoch sagte: „Kennst du Telament Drops? Die helfen dem Baby, wenn es Bauchweh hat.“ Mir hatte bisher niemand davon erzählt und fühlte mich mit meinem weinenden Baby verzweifelt. Statt mich mit sinnlosen Vorwürfen zu konfrontieren, wie ich es erwartet hatte, half mir die Frau jedoch.
Bei einem anderen Restaurantbesuch, fragten mich zwei Frauen sogar, ob sie mein Baby, das weinte, halten und wiegen dürften, damit ich zum Essen käme. Ich war total verblüfft von der Hilfsbereitschaft und dem Verständnis – mir gegenüber, aber auch gegenüber dem Baby, das hier Mitgefühl erleben durfte, anstatt dass die Leute genervt auf das Schreien reagierten.
Dass Kinder in manchen Restaurants gern gesehen sind und wie man diese Orte finden kann, zeigt die folgende Seite, auf der Berliner Restaurants vorgestellt werden, die kinderfreundlich sind:
Habt ihr Ähnliches erlebt? Traut ihr euch, mit euren Kindern in Deutschland Restaurants zu besuchen? Und wenn ja, wie reagieren die anderen Gäste, wie die Kellner? Habt ihr Ideen, wie es besser laufen kann?
Erfahrt mehr auf meinem Aufruf gegen Kinderfeindlichkeit
photo credit: Kat Northern Lights Man via photopin cc
Eine kleine Anekdote bzgl. Kinderfeindlichkeit
Kurz nach Start unseres Flugzeuges, das uns in 4,5 Stunden nach Teneriffa fliegen sollte, wurde meine 10 Monate alte Tochter im Tragetuch wach. Hinter mir hörte ich den ersten bissigen Kommentar "Jetzt ist es vorbei mit der Ruhe!"
Trotz des nächtlichen Fluges war meine Tochter begeistert davon! Über 4 Stunden spielte und gluckste sie und spielte "peek-a-boo" mit zuvor erwähntem Kommentator.
Bei Verlassen des Flugzeuges sagte dieser "Ich habe noch nie ein so zufriedenes Kind gesehen!"
Dennoch dachte ich: Was wäre, wenn meine Tochter 4 Stunden durchgeweint hätte, ihr gutes Recht übrigens?
Und im Winter plane ich eine Reise nach Kambodscha mit ihr, 12 Stunden Flug - wieso habe ich das Bedürfnis, mich rechtfertigen zu müssen, wenn sie keine 12 Stunden gut zufrieden ist?